Arbeitsrechtliche Aspekte der aktuellen Situation aufgrund des Corona-Virus

Das Robert-Koch-Institut schätzt die Gefahr durch das Corona-Virus für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland aktuell „als gering bis mäßig“ ein (Stand 04.03.20). Also besteht momentan noch kein Grund zur Besorgnis. Grundsätzlich gilt auch in der momentanen Situation natürlich einerseits, dass Arbeitgeber von Arbeitnehmern niemals verlangen können sich oder andere in Gefahr zu bringen. Andererseits dürfen Arbeitnehmer die angespannte Lage natürlich nicht missbräuchlich nutzen. Da die weitere Entwicklung des Corona-Virus in Deutschland für uns alle momentan ungewiss ist und gerade in unseren international agierenden Branchen einige Fragen aufkommen können, haben wir die wichtigsten Punkte zusammengefasst.
Der IG BCE Bezirk München hat hierzu einige Fragen beantwortet. Vielen Dank für dessen Bereitstellung

Verpflichtungen von Arbeitnehmern

  1. Wann kann ich meine Arbeitsleistung verweigern?
Ein Recht auf Fernbleiben der Arbeit haben Arbeitnehmer nur, wenn sie tatsächlich arbeitsunfähig sind, sonst sind sie verpflichtet, ihren arbeitsvertraglichen Pflichten nach § 611a BGB nachzukommen. Die bloße Befürchtung bei der Arbeit oder auf dem Weg dorthin zu erkranken, ist keine Begründung der Arbeit fernzubleiben.
Die Arbeit kann erst dann unter Entgeltfortzahlung verweigert werden, wenn eine tatsächliche Gefährdung der Gesundheit des Arbeitnehmers vorliegt und der Arbeitgeber bei Verlangen der Arbeitsleistung seine Fürsorgepflicht verletzten würde, dies ist z. B. bei der Annahme von Waren aus einem Risikogebiet ohne die nötigen Sicherheitsmaßnahmen.
  1. Kann ich verlangen, im Home-Office/mobil zu arbeiten?
Ein Anspruch auf Home-Office/Mobilem Arbeiten von Arbeitnehmern besteht grundsätzlich nicht. Ist jedoch in der Stadt oder im Landkreis ein Infektionsfall bekannt und die zu leistende Arbeit kann zu mindestens 80 % von Zuhause und über Telefon- oder Videokonferenzen erledigt werden, kann der Arbeitnehmer in diesem Ausnahmefall auf Home-Office/Mobiles Arbeiten bestehen.
  1. Kann ich der Arbeit fernbleiben, wenn ich keine Möglichkeit der Kinderbetreuung habe?
Im Wegfall der Kinderbetreuung ist keine vorübergehende Verhinderung der Arbeit gem. § 616 BGB zu sehen, da kein persönlicher Grund des Arbeitnehmers vorliegt, sondern dies eine Vielzahl von Menschen trifft. Die Möglichkeit aufgrund der Freistellung nach § 45 Abs. 3 SGB V bei Erkrankung des Kindes ist nur dann möglich, wenn das eigene Kind wirklich erkrankt ist. Gibt es keine andere Betreuungsmöglichkeit, bleibt arbeitenden Eltern nur die Möglichkeit durch Urlaub oder Überstundenabbau der Arbeit fernzubleiben.

Rechte des Arbeitgebers

  1. Kann der Arbeitgeber von seinen Beschäftigten Home-Office/Mobiles Arbeiten verlangen?
Bestehen im Betrieb Vereinbarungen zum Home-Office/Mobilen Arbeiten, kann der Arbeitgeber seinen Beschäftigten im Rahmen dieser Vereinbarung die Arbeit im Home-Office/Mobilem Arbeiten verordnen.
  1. Kann der Arbeitgeber mich aufgrund von Ansteckungsrisiken unbezahlt Freistellen?
Entscheidet sich der Arbeitgeber dazu, die Leistung von Arbeitnehmern nicht anzunehmen, gilt nicht weiter der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“, da der Arbeitgeber mit dieser Handlung in Annahmeverzug gerät und nach § 615 S. 1 BGB in diesem Fall zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist. Eine unbezahlte Freistellung ist somit nicht möglich. Auch wenn der Betrieb durch das Gesundheitsministerium geschlossen wird, behalten die Beschäftigten weiterhin ihren Anspruch auf Entgeltfortzahlung, da dies nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums als Betriebsrisiko zu sehen ist.
  1. Kann der Arbeitgeber von mir verlangen Urlaub zu nehmen, wenn ein Ansteckungsrisiko im Betrieb besteht?
Sowohl Urlaub als auch Überstundenabbau sind grundsätzlich nur auf Beantragung des Arbeitnehmers möglich. Der Arbeitgeber kann dies nicht gegen den Willen des Arbeitnehmers beschließen.
  1. Kann der Arbeitgeber kurzfristig Betriebsurlaub anordnen?
Betriebsurlaub muss den Zweck Erholung erfüllen, dies ist bei kurzfristig angeordnetem Betriebsurlaub aufgrund einer Pandemie nicht der Fall. Nach Rechtsprechung des BAG muss auch beim Betriebsurlaub der Grundsatz der echten Erholung gewahrt werden, welcher eine Sphäre der Selbstbestimmung, der persönlichen Freiheit und des Lebensgenusses für die Arbeitnehmer vorsieht, dies ist bei einem so kurzfristig angeordneten Betriebsurlaub nicht der Fall. Zudem ist Betriebsurlaub mitbestimmungspflichtig, der Arbeitgeber kann somit den Betriebsurlaub nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats anordnen.
  1. Muss ich dem Arbeitgeber mitteilen, wo ich Urlaub mache?
Eine Mitteilungspflicht besteht nicht, da ein Urlaub natürlich Privatsache und Privatsphäre des Arbeitnehmers ist. Denn kann der Arbeitgeber aus Fürsorgepflicht vom Mitarbeiter verlangen, ihm das Urlaubsziel mitzuteilen, wenn das Ziel in einem Virus Risikogebiet liegt. Eine generelle Mitteilungspflicht besteht indes aber nicht.

Mitbestimmungsmöglichkeiten

  1. Worauf sollten Betriebsräte in der aktuellen Situation achten?
Betriebsräte sollten zunächst die Belegschaft über Vorsichtsmaßnahmen im Betrieb und im Privaten informieren. Darüber hinaus sollten sie den Arbeitgeber in die Verpflichtung nehmen, einen „Notfallplan“ zu entwickeln, für den Fall, dass ein Infektionsfall im Betrieb auftritt oder der Betrieb in einen „isolierten Bereich“ gerät.
  1. Hat der Betriebsrat ein Informationsrecht über Vorkehrungen des Arbeitgebers?
Im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit ist der Arbeitgeber verpflichtet den Betriebsrat umfassend und rechtzeitig über alle vorgesehenen Maßnahmen und Vorkehrungen zur Pandemieprävention und -bekämpfung zu informieren. Die Information durch den Arbeitgeber hat frühzeitig und kontinuierlich zu erfolgen.
  1. Welche Handlungsmöglichkeiten hat der Betriebsrat bei einem Infektionsfall?
Der Betriebsrat kann beim Arbeitgeber darauf hindrängen, das betroffene oder besonders anfällige Bereiche, z. B. Bereiche mit Publikumsverkehr, vorübergehend geschlossen werden.
  1. Kann der Betriebsrat bei Arbeitsausfällen und –engpässen reagieren?
Kommt es aufgrund der Ausbreitung des Corona-Virus zu Arbeitsausfällen oder – engpässen ist dies ein klassischer Fall von „vorübergehenden Arbeitsmangel“, der Betriebsrat und der Arbeitgeber können bei der Bundesagentur für Arbeit für diesen Zeitraum Kurzarbeitergeld beantragen, mit der Bewilligung der Zahlung entfällt die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers.
  1. Was ist dem Betriebsrat bei kurzfristig angeordneten Betriebsurlaub zu beachten?
Betriebsurlaub ist mitbestimmungspflichtig, der Arbeitgeber kann Betriebsurlaub somit nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats anordnen. Der Betriebsrat sollte diesem Betriebsurlaub keinesfalls zustimmen, da es sich hierbei um eine typische Verschiebung des Arbeitgeberrisikos auf die Belegschaft handelt.

Dienstreisen

  1. Können Arbeitnehmer Dienstreisen aufgrund von Ansteckungsgefahren verweigern?
Grundsätzlich gilt auch bei Dienstreisen die Leistungspflicht des Arbeitnehmers nach § 611a BGB, Dienstreisen können nicht nur aufgrund der Angst sich anzustecken abgelehnt werden. Werden jedoch Dienstreisen angeordnet, die in oder von betroffene/n oder „abgesperrte/n“ Regionen führen oder eine offizielle Reisewarnung vom Auswärtigen Amt vorliegt, sind diese nicht zwingend als zumutbar anzusehen und der Arbeitnehmer kann diese Dienstreise verweigern.
  1. Kann der Arbeitgeber Dienstreisen aufgrund von Ansteckungsrisiken verbieten?
Dem Arbeitgeber ist es möglich von seinem Direktionsrecht Gebrauch zu machen und Dienstreisen in Risikogebiete zu verbieten. Dies ist ihm insbesondere aufgrund seiner Fürsorgepflicht nach § 618 Abs. 1 BGB gegenüber seinen Angestellten möglich.

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Marco Fritz